Liebe Freunde und Patienten unserer Praxis,
kaum zu glauben, dass mein letzter Neujahrsbrief schon wieder ein Jahr zurückliegt. Aber am 5. Februar hat in China das neue Jahr begonnen. Das Erd-Schwein hat den Erd-Hund abgelöst. Anscheinend hat mein Neujahrsbrief mittlerweile eine gewisse Tradition, denn ich wurde jetzt schon öfter etwas besorgt gefragt, ob ich noch etwas zum neuen Jahr schreibe. Doch natürlich! Und die kleine Verspätung zeigt bereits einen wichtigen Charakterzug des Schweines und somit des neuen Jahres. Das Schwein ist nämlich von seinem Charakter her eher gelassen und insbesondere Erd-Schweine, die sehr intelligent sein sollen, neigen – vielleicht als Zeichen ihrer Intelligenz – zur Gemütlichkeit.
Sie haben sich nicht verlesen. In China haben die Jahre entsprechend ihrem Tierkreiszeichen und der Kombination mit einem der 5 Elemente Feuer, Erde, Metall, Wasser und Holz so etwas wie Charakter. In der chinesischen Astrologie und auch in meinem kurzen Ausblick auf das neue Jahr geht es deshalb weniger um Prophezeiungen, sondern vielmehr um die Beschreibung von Stimmungen und Tendenzen, die in dem jeweiligen Jahr wichtig sein könnten.
Da Schweine-Jahre grundsätzlich als besonders glückverheißend gelten und im Zeichen des Schweines Geborene sowohl einen besonders liebenswerten Charakter haben als auch sehr erfolgreich sein sollen, schnellt die Geburtenrate in China in diesen Jahren regelmäßig nach oben.Während solche Effekte in den Zeiten der Ein-Kind-Politik von der Regierung sehr ungern gesehen wurden, hofft man aktuell auch von offizieller Seite auf einen regelrechten Babyboom, um die Ungleichgewichte in der Alterspyramide zu korrigieren. Dem Schwein wird es recht sein, da ihm Familie und Freundschaft neben materieller Sicherheit am wichtigsten sind. Von allen 12 Tierkreiszeichen hat das Schwein nämlich am meisten „Yin“.
Damit Sie die Besonderheiten des Schweine-Jahres, die auch medizinisch relevant sind, gut verstehen können, will ich das in der wichtigsten Weltanschauung in China – dem Daoismus – essentielle Prinzip der diametral einander entgegengesetzten und gleichzeitig voneinander abhängigen Begrifflichkeiten „Yin“ und „Yang“ sehr vereinfacht erklären.
Während „Yang“ eher Aktivität und energiereiche Zustände symbolisiert, steht „Yin“ für Passivität, strukturierende Energie oder, einfacher ausgedrückt, das Materielle. Auf unseren Körper bezogen würde „Yang“ dem aktiven Anteil unseres vegetativen Nervensystems, dem Sympathikus, entsprechen, der vor allem tagsüber, wenn wir Leistung erbringen müssen und unter Stress stehen, aktiv ist, und „Yin“ für den Parasympathikus , der in den Phasen der Ruhe für den Aufbau der während der aktiven Phasen verbrauchten Energiereserven zuständig ist.
Schweine – übrigens auch Schweinefleisch – haben wie gesagt sehr viel „Yin“. Soviel Yin, dass in der Chinesischen Medizin sogar einige wichtige Rezepte zur Stärkung des „Yins“ wie zum Beispiel Da Bu Yin Wan (die Pille, um das Yin großartig zu stärken), traditionell mit Schweinefleisch oder -knochen hergestellt werden. Die „yinigen“ Schweine lieben also die Phasen des zur Ruhe Kommens sowie die Sicherheit der Familie und den Aufbau von Materie durch leckeres Essen oder materielle Güter. Zu viel Trubel und Veränderung verärgern sie hingegen eher und – Vorsicht! – der wütende Eber wird in China wegen seiner Aggression und Kraft sehr gefürchtet. Aber seien Sie beruhigt, die intelligenten Erd-Schweine sind viel zu klug, als dass sie sich schnell ärgern würden. Leider entstehen durch die Kombination des Zeichens Schwein mit dem Element Erde aber andere Probleme, die auch medizinische Konsequenzen haben könnten.In der bildhaften, aber dennoch erstaunlich präzisen Traditionellen Chinesischen Medizin entspricht das Element Erde der Verdauungsfunktion in unserem Körper, sprich der chemischen Aufspaltung und Verwertung der Nahrungsmittel, die auf der Erde gewachsen sind, in unserem Verdauungstrakt.
Wie Sie vielleicht noch aus dem Chemieunterricht wissen, benötigen chemische Prozesse neben die chemische Reaktion beschleunigenden Enzymen vor allem Wärme. Und genau diese Wärme fehlt in einem Yin-dominierten Schweine-Jahr. Bei entsprechender Disposition können so Verdauungsprobleme entstehen, die durch die unvollständige „Verbrennung“ der Nahrung zur Entstehung von „Feuchtigkeit“ und „Schleim“ im Körper führen können.In unkomplizierten Fällen kann diese Ansammlung von Feuchtigkeit zum Beispiel zu Erkältungen führen, die mit vermehrter Schleimbildung einhergehen. Komplizierter wird es, wenn der Schleim zur Blockade der Blutzirkulation oder Stagnation des Lymphsystems führt. In der Chinesischen Medizin zählen Hypercholesterinaemie, Arteriosklerose oder die Neigung zur Bildung gutartiger Tumore wie Lipome zu den Schleimerkrankungen. Im schlimmsten Fall kann Schleim aber auch mitauslösender Faktor bei der Entstehung bösartiger Tumore sein.
Obwohl es gerade in einem Schweine-Jahr, in dem Genuss einen so hohen Stellenwert hat, schwerfallen kann, empfiehlt es sich doch, gerade jetzt auf eine gesunde, die Verdauung oder, wie die Chinesen sagen, die Mitte unterstützende Ernährung zu achten. Nahrungsmittel, die zu viel Feuchtigkeit im Körper entstehen lassen, wie Zucker, raffinierte Kohlenhydrate, Meeresfrüchte, aber auch das „yinige“ Schweinefleisch, sollten Sie meiden, vor allem wenn das Verdauungsfeuer in Ihrer Mitte etwas geschwächt ist, was im Allgemeinen der Fall ist, wenn Sie über 40 sind. Nach einem anderen im Daoismus sehr wichtigen Prinzip findet man im Kleinen oft dieselben oder ähnliche Zusammenhänge wie im Großen. Dieses Prinzip können Sie annäherungsweise nachvollziehen, wenn Sie den Aufbau eines Atoms und unseres Sonnensystems vergleichen.
So kann man in diesem Jahr davon ausgehen, dass Stagnation auch im psychischen und zwischenmenschlichen Kontext zum Beispiel durch Depressionen ein Thema sein wird. Aber auch in größeren politischen Zusammenhängen wie zum Beispiel in der Wirtschaft könnte es zu Stagnationen kommen. Das könnte unter Umständen zu Problemen führen, falls Sie dieses Jahr ein neues Projekt starten oder sich selbstständig machen wollen.Die größte Herausforderung in diesem Jahr wird aber sein, einerseits dem Bedürfnis des Schweines nach Ruhe, Familie und Genuss gerecht zu werden und andererseits in Bewegung zu bleiben, um Ansammlung und Stagnation von Schlacken zu vermeiden.
Aber wie macht man das? Mein lieber Freund und Lehrer Dr. Fu Yu hat dazu etwas sehr Passendes gesagt, als er letztes Jahr während der „Chinawoche“ gefragt wurde, wie wir unsere Gesundheit am besten fördern könnten:
„Halten Sie Ihren Geist ruhig und Ihren Körper in Bewegung!“ Besonders im Jahr des Schweines sollten wir noch ergänzen „und achten Sie auf eine ausgeglichene Ernährung!“
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern; Wenn Sie diesen simplen Ratschlag befolgen, sind so sogar kleine Wunder möglich.:)
Gerne erkläre ich Ihnen mehr dazu, wenn Sie mich in meiner Praxis besuchen oder wir uns auf den auch dieses Jahr regelmäßig stattfindenden Vorträgen treffen.
Gemäß dem Charakter des Schweines machen auch wir es uns etwas gemütlicher. So halte ich am 7. März mein erstes Webinar zu dem Thema „Grundlagen der TCM und die Heilkraft von Vitalpilzen“. Sie sind herzlich dazu eingeladen. Und Sie müssen dafür nicht einmal Ihr Sofa verlassen. Es wird also so richtig schweinisch gemütlich.
Am 5. Mai halte ich während des „Sorgenfrei glutenfrei“-Infotags einen Vortrag zum Thema „Glutenunverträglichkeit aus Sicht der Chinesischen Medizin“. Ein wichtiges Thema besonders im Jahr des Schweines. Außerdem werde ich wie im letzten Jahr als Dozent für die Akademie für Naturheilverfahren/Salzburg im Rahmen der Myko-Basis-Ausbildung unterrichten. Das Thema Vitalpilze liegt mir besonders am Herzen, da es Traditionelle Chinesische Medizin, westliche Naturheilverfahren und wissenschaftliche Schulmedizin so schön verbindet, und die Ausbildung zum Mykotherapeuten für viele Interessierte eine gute Gelegenheit sein kann, wissenschaftlich fundiert in das weite Thema der Naturheilverfahren einzusteigen. Außerdem liegt Salzburg ganz in der Nähe meiner Familie, was im Jahr des Schweines ja durchaus bedeutsam ist.
Genauere Informationen zu meinen Vorträgen und Seminaren finden Sie auf meiner Website unter www.tcm-scheidegg.de/category/aktuelles/ . Gerne halten wir Sie, falls Sie das wünschen, per Newsletter vor der jeweiligen Veranstaltung auf dem Laufenden.
Gemäß den schönen Worten Dr. Fu`s wünsche ich Ihnen für das Jahr des Erd-Schweines 2019 allzeit einen ruhigen Geist, Freude an körperlicher Bewegung und eine glückliche Familie oder, einfacher ausgedrückt, ganz viel Gesundheit.
Ihr Thomas Neuerer mit Team